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Die Geschichte des Wehrmanngewehrs 
 

 

Von Brigitte G. Hölscher

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Immer wieder „stolpert“ man in der Literatur oder auch vereinzelt in den Ladschreiben von Traditionsschießen über das Wehrmanngewehr. Diese Schusswaffe wurde seit ca. 1900 auch Wehrmannstutzen oder Wehrmannbüchse genannt. In diesem Artikel wollen wir in einem historischen Rückblick kurz beleuchten, was es mit dieser Waffe auf sich hat, die ebenfalls mit der Deutschen Schützenpatrone 8,15x46R geschossen wird.

 

Der Beginn des Wehrmannschießens bis zum Ersten Weltkrieg

Versetzen wir uns gut 100 Jahre in der Waffengeschichte und dem Schießsport zurück. Im Jahre 1897 wurden im Ausland bereits internationale Wettschießen mit dem vorschriftsmäßigen Armeegewehr durchgeführt. Insbesondere in England, der Schweiz, in Schweden und auch Norwegen war das Schießen mit dem Armeegewehr weit verbreitet. Im Deutschen Schützenbund gab es damals diese Disziplin noch nicht. 

Die internationalen Match-Schießen mit dem Armeegewehr wurden vom Holländer Henrik Sillem aus Amsterdam ins Leben gerufen. Das erste Match fand am 26. Mai 1897 in Lyon (Frankreich) statt. Die Regeln waren hierbei folgende: Jede Nation stellte fünf Schützen, von denen ein jeder 120 Schuss auf 300m abzugeben hatte. Diese waren 40 Schuss stehend, 40 kniend und 40 liegend abzugeben. Die Scheiben waren eingeteilt in fünf konzentrische Kreise, mit 60cm Durchmesser und waren 100cm groß. Die Summe der geschossenen Ringe aller fünf Schützen ergab den Rang der der Mannschaft. Einzelweltmeister wurde derjenige Schütze, der in allen drei Stellungen die meisten Ringe erzielt hat. Der erste Weltmeister 1897 war Frank Jullien aus Genf (Schweiz). Fünf Nationen nahmen damals daran teil und es gab Medaillen in Gold, Silber, Bronze und Kupfer. Deutsche Schützen waren bei den im Jahre 1897 in Lyon ins Leben gerufenen Internationalen Matches (die erste Weltmeisterschaft also) nicht beteiligt. 

Hier spielte die feindliche Haltung der national orientierten deutschen Schützen gegen Frankreich die Hauptrolle. Dies sollte sich im Nachhinein als verhängnisvolles Versäumnis erweisen. Zwischen 1897 und 1909 konnten die erfolgreichen Schweizer Schützen jedes Jahr – außer 1898, da gewann Frankreich – den Titel erringen. Die gelegentlichen Teilnahmen einer deutschen Mannschaft seit 1901 waren nie von Erfolg gekrönt, man landete immer nur auf den hintersten Plätzen. Im Jahre 1901 in Luzern belegte Deutschland den 6. Platz von sieben Teilnehmerländern und 1902 in Rom den 4. Platz von fünf Teilnehmerländern. Im Jahre 1908 (Wien) reichte es nur zum letzten Platz von neun Teilnehmerländern, jedoch konnte beim ersten Start in der Heimat in Hamburg 1909 der 7. Platz von zehn Teilnehmerländern errungen werden.
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Die Deutschen Schützen waren nicht in der Lage, bei den internationalen Wettbewerben zu konkurrieren, da das Schießen mit dem Armeegewehr seitens des eher sportlich gesonnenen Schützenbundes nicht vorgesehen war. Trotz aller Ambitionen aus dem Bereich der Kriegerverbände kam man nur schwer mit der Thematik Armeegewehr voran. Dies lag auch an den Militärbehörden, die anfangs ihre Schießstände nicht für Schützen öffnen wollten. Auf den Schießständen der Scheibenstutzenschützen war es aus Sicherheitsgründen nicht möglich, mit Armeemunition zu schießen.

Optische und technische Unterschiede zwischen „Wehrmanngewehr“ und „Scheibenstutzen“

  • Druckpunktabzug statt Stecher.
  • Kein Diopter, sondern offene Militärvisierung mit Kimme und Korn.
  • Form und Größe des Schaftes gleichen dem des Militärgewehrs (ganzgeschäftet, nicht in Vorderschaft und Hinterschaft unterteilt)
  • Individuelle Veränderungen wie Verschneidungen und Schnitzarbeiten am Schaft sind nicht zugelassen
Erst um 1900 herum verbreitete sich das Armeegewehr, allerdings hauptsächlich in der zivilen Variante des Wehrmanngewehrs. Dazu wurden die originalen Militärgewehre umgearbeitet, dass sie mit der gängigen  8,15er-Schützenpatrone geschossen werden konnten. Diese war wesentlich preisgünstiger und konnte auf den Schießständen der Scheibenstutzenschützen geschossen werden.

Es gab zu Beginn des 20. Jahrhunderts drei Ausprägungen des Wehrmanngewehrs, die für das sportliche Übungsschießen umgearbeitet waren:

  • Infanterie-Gewehr 88 bzw. 98, eingerichtet für die Hülse 8,15x46R mit einem 8,15er Lauf für Bleigeschosse.
  • Infanterie-Gewehr 88 bzw. 98, eingerichtet für die Hülse 88 mit einem Lauf im Kaliber 7,9mm, der Drall und Züge für Mantelgeschosse besitzt.
  • Infanterie-Gewehr M. 88 bzw. 98, eingerichtet für die Hülse 88 mit einem Lauf für Bleigeschosse.

Bei allen drei Ausprägungen waren die Form von Kimme und Korn, die Schäftung und das Gewicht identisch zu den Infanterie-Versionen. Jedwede Änderungen waren verboten, es durften keine Gläser (Diopter, Fernrohr) angebracht werden, der Schaft durfte keine andere Kappe erhalten und auch keine Schnitzereien oder Fischhaut tragen. Der Abzugswiderstand war mit mindestens 1,5kg festgelegt.
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Bei den 8,15er-Versionen war die Repetiervorrichtung außer Funktion gesetzt, indem das Magazin durch Holz ausgefüllt worden ist. Dadurch war kein Schnellfeuerschießen möglich. Als Munition wurden die Geschosse und Pulversorten eingesetzt, die auch bei den normalen Scheibenstutzen im Einsatz waren. Ähnliches galt für die beiden 88er Versionen, die aber weniger verbreitet waren.

Für die Scheiben (Größe, Motive, Kreise) und Distanzen gab es bis vor dem 1. Weltkrieg keine ganz eindeutigen Regelungen, man schoss die auf den vorhandenen Vereinsschießständen die verfügbaren Distanzen. Diese waren ja damals meist 130m, seltener 175m oder 300m.

Dem unermüdlichen Eintreten des Hannoveraner Geheimrates – und damals maßgebliche Persönlichkeit im deutschen Schützensport – Berthold Körting ist es zu verdanken, dass der Deutsche Schützenbund auch besondere Schießen mit dem Wehrmanngewehr ansetzte. 

Auf vielen großen Schützenfesten in Deutschland wurde dann in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts auch eine Wehrmannscheibe ausgeschossen. Doch dies war im Norden des Landes bis nach Thüringen und Sachsen wohl mehr verbreitet, als im Süden (Bayern, Schwaben, Baden, etc.), wo nach wie vor der Scheibenstutzen dominierte.

Berthold Körting
* 6. Juli 1839 –  † 6. April.1919?

Der Geheime Kommerzienrat Berthold Körting aus Hannover hatte sich seit den 1860er Jahren dem Schießsport verschrieben. Als Verfechter des Freihandschießens war er 1862 maßgeblich an der Gründung des "Vereins für Freihandschießen" in Hannover beteiligt. Seit seiner durchgehenden Teilnahme an allen Deutschen Bundesschießen seit Bremen 1865 hat er die Geschichte des Sportschießens in Deutschland bis zum 1. Weltkrieg intensiv begleitet. Nachdem er im Jahre 1871 in Hannover mit seinem Bruder Ernst die Körting-Werke gegründet hatte, war es ihm durch den finanziellen Rückhalt seines florierenden Unternehmens möglich, viel Zeit und Geld in das deutsche Schützenwesen zu investieren.

Vor allem setzte sich Berthold Körting dafür ein, dass das Schießen mit dem Armeegewehr und der Wehrmannbüchse in Deutschland Fuß fassen konnte. Durch seine hartnäckige Intervention bei den Planungen für das Deutsche Bundesschießen in seiner Heimatstadt Hannover 1903 wurde dort erstmals auch eine Scheibe auf 300m für das Wehrmanngewehr angeboten. Hierzu stiftete er auch einen Ehrenpreis von 1000 Mark, der von Lorenz Bauer aus Coburg gewonnen wurde.

Durch die Körting-Stiftung (finanziert aus den Lizenz-Erträgen à 1 Mark der damals weit verbreiteten Körting-Rottweil-Lademaschine) konnte er das Wehrmannschießen auch finanziell unterstützen.

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Werbung für Wehrmanngewehre (Festschrift 16. Deutsches Bundesschießen Hamburg 1909)


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International wurde das vorschriftsmäßige Armeegewehr inzwischen auf Figurenscheiben geschossen, und zwar vornehmlich im Anschlag kniend und liegend. Hierbei waren die Figurenscheiben derart „ausgeschnitten“, dass nur die Figur zu sehen war und kein weißer Scheibenhintergrund. Die in Deutschland verfügbaren Scheiben waren normale Kreisscheiben oder eben Figurenscheiben mit weißem Hintergrund, die aber kaum der internationalen Konkurrenz entsprachen. Und es wurde in erster Linie nur in der Stellung „sportlich stehend-frei“ geschossen.

Auf dem 14. Deutschen Bundesschießen in Hannover 1903 wurde auf Drängen von Berthold Körting und Carl Beuermann erstmals eine „Armeegewehrscheibe“ auf 300m angeboten, die stehend-frei zu schießen war. Auch auf den darauf folgenden Bundesschießen in München 1906, in Hamburg 1909 und Frankfurt/M. 1912 gab es diese Disziplin. Es nahmen aber nur ca. 10% der Schützen teil – im Gegensatz zu den herkömmlichen, sportlichen Scheibengattungen für Scheibenstutzen.

Die Niedersächsische Hauptstadt Hannover muss sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts wohl zur Metropole der Wehrmannschützen im Norden des Landes entwickelt haben. In der Schützenordnung von Hannover wurde im Jahre 1905 die Regelung dahingehend geändert, dass es auf den großen Schützenfesten auch eine Armeegewehr Festscheibe geben muss. Wobei hier die Wehrmannscheibe gemeint sein wird, denn es sollte weiterhin eine Schießordnung erlassen werden, die auch das Schießen mit dem Original-Armeegewehr ermöglicht.

Senator Carl Beuermann
* 11. April 1855 –  † 18. September 1937

Ebenfalls aus Hannover stammt der Schützensenator Carl Beuermann, der sich auch sehr engagiert um das Vorankommen des militärischen Wehrmanngewehrs verdient gemacht hat. Als Besitzer einer Margarine- Fabrik und Dampfmolkerei hatte auch er den notwendigen finanziellen Hintergrund, um dem deutschen Schützenwesen Gutes zukommen zu lassen. 

Seit 1903 gehörte er dem Vorstand des Deutschen Schützenbundes an. Unter seiner Regie wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Schießstände der Hannoverischen Schützengesellschaft vollständig auf die Nutzung für das Schießen mit dem original Armeegewehr und original Munition umgebaut. 
Als Oberschützenmeister des Vereins für Freihandschießen Hannover wirkte er ab 1904 auch als Organisator von vielen großen Schützenfesten seiner Heimatstadt. Unvergessen war damals das große Jubiläumsschießen 1912 zum 50jährigen Jubiläum des Vereins.

Mit Unterstützung der städtischen Kollegien Hannovers konnte Beuermann auch als Freund und Förderer des Jungschützenwesens im Jahre 1913 einen Jung-Schützenkorps gründen, der innerhalb weniger Wochen bereits 350 Mitglieder hatte. Diese schossen mit Wehrmanngewehren auf 175 Meter. Ein Ausbau der Übungsschießen auf 300 Meter sollte ebenfalls erfolgen. Die Stadt stellte den Jungschützen die Gewehre und die Munition.

Auch nach den Ereignissen des Ersten Weltkrieges war Beuermann federführend daran beteiligt, „seinen“ Verein sportlich wieder an die Spitze zu führen. Seitenweise lassen sich die Erfolge der hannoverischen Schützen bei allen Meisterschaften auflisten.

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Mauser Wehrmanngewehre (ALFA-Katalog 1911) zum Preis von 140 Mark.

Anhand all dieser Tatsachen kann man unschwer erkennen, dass das Schießen mit dem Wehrmanngewehr damals in den eingesessenen Vereinen oft weniger Rückhalt hatte. Dies lag daran, dass man sich dort in erster Linie auf den sportlichen Scheibenstutzen konzentrierte und mit den militärisch geprägten Waffen, mit der offenen Visierung und den Anschlagsarten kniend und liegend nicht befassen wollte. Auch war das deutsche Sportschützenwesen (trotz eindeutiger Regelungen seit 1861) noch immer im „Norden“ und „Süden“ – in „aufgelegt“ und „stehend-frei“ Schießen – uneinheitlich. Da war für eine weitere Disziplin in gänzlich anderen Anschlagarten weniger Platz. Auch die gelegentlich angebotenen Wehrmannscheiben bei Schießveranstaltungen waren weitaus schlechter ausgepreist, als die der Scheibenstutzen, was von den Wehrmann-Anhängern auch oft beklagt wurde.

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Auch militärisch geprägte Schützen waren sich darüber im Klaren, dass durch die wesentlich geringere Fluggeschwindigkeit der zivilen Patrone gegenüber der Militärvariante dem Soldaten keine echte Schießpraxis vermittelt werden konnte. Es konnte nur die Schießfertigkeit im Allgemeinen unterstützt werden. Die wichtigen Fragen der Visierstellung und des Haltepunktes durch die vollkommen unterschiedliche Flugbahn der Sportvariante gegenüber denen der Militärvariante konnten nicht wirklich auf das militärische Schießen übertragen werden. Aber eben vornehmlich bei den Kriegerbund-Vereinigungen fanden sich die Anhänger des Wehrmanngewehrs, während der Deutsche Schützenbund weiter am Scheibenstutzen festhielt und nur ein geringen Interesse am Wehrmannschießen zeigte.

Erst um 1912/13 herum änderten auch die Militärbehörden ihre Ansichten und es wurden vereinzelt die Militärschießstände geöffnet, um dort auch Zivilisten und Sportschützen das Schießen mit dem originalen Infanteriegewehr zu ermöglichen. Auch die Planungen für die Olympischen Spiele 1916 in Berlin brachten dem Schießen mit dem Armeegewehr ein wenig Aufschwung. Doch die Geschichte verlief bekanntlich anders und der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914 machten alle weiteren Planungen zunichte.

Mauser-Werbung für Wehrmanngewehre
(Deutscher Schützenkalender 1914)

Wehrmannsbüchsen aus dem Stukenbrok-Katalog um 1912

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Das Wehrmannschießen in den 1920er Jahren

Das von den Deutschen als Schmach empfundene Versailler Diktat erlaubte nach dem Ersten Weltkrieg den privaten Besitz von Militärwaffen nicht mehr. Jedoch war das Wehrmanngewehr konform mit den Bestimmungen des Versailler Vertrages für privaten Waffenbesitz. So wurden viele „übrig gebliebene“ Infanteriegewehre von Büchsenmachern zu sportlichen Wehrmanngewehren für die Schützenpatrone 8,15x46R umgebaut. Dabei wurden auch die Seriennummern heraus geschliffen, um jegliche Herkunft der Waffen zu verschleiern.

In den 1920er Jahren wurde seitens der (ehemaligen) Militärangehörigen das Wehrmannschießen unterstützt. Aber es stand in starker Konkurrenz zum damals auch sportlich stark geförderten Kleinkaliber Schießen. Es gab keine Allgemeine Wehrpflicht mehr, die Berufsarmee durfte nur noch maximal 100.000 Soldaten haben. Versetzt man sich zurück in die Zeit, als das Kaiserreich sein Ende fand und die Weimarer Republik das Land veränderte, ist es verständlich, wenn die nun arbeitslosen Soldaten gerne „etwas Militärisches“ für den Schießsport zur Hand nehmen konnten. So konnte auch weiterhin der vorhandene Wehrwillen manifestiert werden und die Förderung der deutschen Wehrhaftigkeit konnte auf den Vereinsschießständen weiter geführt werden.
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Abbildung: Klapp-Diopter für Wehrmanngewehre

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Jedoch war ein Wehrmanngewehr auch in den 1920er Jahren noch immer ein teures Vergnügen, das preislich in der Nähe eines „guten“ Scheibengewehres angesiedelt war. Aber es war eben die persönliche Einstellung des Schützen, welche Art des Schießens im näher war: das militärische Schießen mit dem Wehrmanngewehr – oder das sportliche Schießen mit dem Scheibenstutzen. Wer schon immer der gesellige Sportschütze war, blieb auch beim vereinsmäßigen Schießen mit dem Scheibengewehr. Während der sportliche Schütze gerne Geld- oder Sachpreise von den Preisschießen mit nach Hause brachte, ging es den Wehrmannschützen bei „seinen“ Schießveranstaltungen mehr um Abzeichen, Ringe, Leistung und Erfolg. Auch die Kleinkaliber-Schützen schossen mehrheitlich um Ehre und Leistung, denn dort winkten – ebenso wie beim Wehrmannschießen – verschiedene Leistungsabzeichen, die über das Schießjahr hinweg errungen werden konnten.

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Für Kleinkaliber-Schützen wurden in den 1920er Jahre viele neue Vereine gegründet. Man schoss auf die Distanz von 50m und somit war es ein Leichtes, landauf und landab viele neue Schießstände zu bauen. Die Sicherheitsbestimmungen waren nicht so übermäßig, so dass die Neuerrichtung von Schießständen relativ einfach war. Im Gegensatz dazu war die normale Distanz für das großkalibrige Wehrmannschießen inzwischen auf 175m festgelegt und das Dreistellungsschießen (stehend - kniend - liegend) in der Sportordnung verankert. Somit mussten sich die am Wehrmannschießen interessierten Schützen den normalen Schützengesellschaften eingliedern, die solche Schießstände mit Zielergraben und weiteren Voraussetzungen bereits zur Verfügung hatten. 

Da aber inzwischen das Wehrmannschießen vom Deutschen Schützenbund gefördert wurde, gab es dort auch Fünfkampf- Mannschaftsmeisterschaften (später im Vierkampf). Auch wurde die Disziplin des Wehrmannschießens bei den „Deutschen Kampfspielen“ aufgenommen, die ersatzweise im Vierjahresturnus stattfanden, da Deutschland nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen durfte.

Die erste Deutsche Schießmeisterschaft mit Wehrmann wurde 1926 in Köln bei den Deutschen Kampfspielen auf die 20-kreisige Lorenz'sche Wehrmann-Gewehrscheibe auf die Distanz von 175 Meter geschossen. Hierbei mussten jeweils 5 Schuss stehend-liegend-kniend freihändig abgegeben werden. Für die Deutsche Schießmeisterschaft in Gold musste 240 Ringe erreicht werden, für Silber 225 Ringe und für Bronze 210 Ringe.

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Abbildung: Lorenz'sche Wehrmannscheibe
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Somit war im Lande das Fundament für das militärische Großkaliberschießen gelegt, so dass beim 18. Deutschen Bundesschießen 1927 in München kein Weg mehr daran vorbei führte, auch den Dreistellungskampf mit dem Wehrmanngewehr in das Schießprogramm aufzunehmen. Auf der neu geschaffenen Feld-Festscheibe Vaterland beteiligten sich 821 Schützen, wobei 167 Sach- und Geldpreise ausgeschüttet wurden. Auf der Meister-Serienkarte wurden 25 Geldpreise und Seriensterne ausgegeben, auf der Meister-Einzelserie gab es ausschließlich Geldpreise. Die Preisgestaltung bei den Kleinkaliber-Wettbewerben waren ähnlich, auch hier gab es hauptsächlich Geldpreise.

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Das Wehrmannschießen ab 1933 als militärische Übung

Nachdem die Nationalsozialisten im Jahre 1933 die Macht in Deutschland übernommen hatten, wandelte sich auch der Schießsport sehr rasch. Alle Bestrebungen liefen dahingehend, das Sportschießen nur noch als vormilitärische Übung zu sehen. Der Scheibenstutzen verlor seine Daseinsberechtigung und wurde als großkalibrige Waffe sukzessive vom Wehrmanngewehr abgelöst. Für die Winterübungen stand der Wehrmannzimmerstutzen zur Verfügung, der – ebenso wie das Wehrmanngewehr und die Wehrmann-KK-Büchse – mit offener Visierung ausgestattet war. 
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Den Schützen wurde vorgeschrieben, welche Schießübungen im laufenden Schießjahr zu absolvieren waren. Und hier war der Scheibenstutzen nicht mehr vorgesehen. Nachdem die Schützenvereine seitens der Partei auch mit einem einschlägig geschulten Schießwart „ausgestattet“ wurden, war die Überwachung der Sportschützen relativ einfach. Zwar gab es 1937 auch noch die Deutsche Meisterschaft im Scheibengewehr, jedoch war sie nur noch eine Randerscheinung. 

In der Sport- und Wettkampfordnung des DSchV (Deutscher Schützenverband)  war festgelegt, dass Schützen bis zum 45. Lebensjahr in den Klassen 2. Schießklasse, 1. Schießklasse, Scharfschützenklasse und Meisterklasse anzutreten haben, um letztendlich an der Deutschen Meisterschaft teilnehmen zu dürfen. 
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Text-Abbildung: aus Der Deutsche Schütze, Jahrgang 1937

Wie in der Sportschützenzeitung  Der Deutsche Schütze im Jahre 1937 zu lesen war, wurde die Wehrlosigkeit des deutschen Volkes nach dem Versailler Diktat endgültig überwunden. Das militärische Schießen hat durch das Wehrmannschießen in den 1920er Jahren an Bedeutung gewonnen. So heißt es in der bereits genannten Zeitung:

„Der Deutsche Schützenverband widmet in gleicher Weise wie dem Kleinkaliberschießen auch der Förderung des Wehrmannschießens seine besondere Fürsorge und hat das ernste Bestreben, das Schießen mit diesen beiden Waffen zu einem Gemeingut aller wehrfähigen Deutschen zu machen. Das Schießen mit dem Wehrmanngewehr soll nach dem Willen des DSchV jedem mit dem Kleinkalibergewehr ausgebildeten Schützen eine Vervollkommnung seiner Treffsicherheit auf weiteren Entfernungen vermitteln. Diese Treffsichere Führung eines Wehrmanngewehrs soll jedem Schützen ein erstrebenswertes Ziel sein.

Der Wehrmann-Schütze konnte über das Schießjahr hinweg das kleine und das große Leistungsabzeichen in Bronze, Silber und Gold erlangen. Auf sportlicher Basis fanden die Deutschen Meisterschaften mit dem „Armeegewehr“ auf die Distanz von 300m bis 1943 statt. Hierbei wurden die Vorkämpfe und Qualifikation meist mit dem Wehrmanngewehr auf 175m abgehalten, da nicht ausreichend Schießstände für 300m zur Verfügung standen.

Neben den noch aus den 1920er Jahren stammenden Wehrmanngewehren aus den Umbauten des Infanteriegewehrs gab es inzwischen auch die Extra-Anfertigungen von Mauser oder Lorenz-Haenel. 

Abbildung: Mauser-Werbung aus Der Deutsche Schütze, Jahrgang 1937

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Abbildung: Scheiben-Sortimente für Wehrmann-Figurscheiben aus AKAH-Katalog 1936

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Die Konkurrenz in den 1930er Jahren zum Wehrmanngewehr 

Es gab auch einen speziellen Wehrmann-Diopter, der seitlich aufgesteckt werden konnte. Ebenso konnte im Zubehörhandel ein Stecher-Abzug erworben werden, mit dem das Wehrmanngewehr problemlos umgebaut werden konnte. 

Somit hatte der Wehrmannschütze die Möglichkeit, mit seinem Gewehr an Scheibenstutzen-Preisschießen und anderen Wettbewerben teilzunehmen. Dadurch wurde der Scheibenstutzen immer mehr verdrängt, denn der Wehrmannstutzen war wesentlich „vielseitiger“ einzusetzen – denn der von den Machthabern ungeliebte Scheibenstutzen sollte komplett verdrängt werden.

Abbildung: Aufsteck-Diopter aus dem AKAH-Katalog 1936

Allerdings war auch das Wehrmanngewehr kaum dafür geeignet, das an militärischen Vorgaben orientierte Schießen zum „Volkssport“ zu machen. 

Zur Förderung der Schießausbildung – und auch, um die deutsche Waffenindustrie zu unterstützen, die unter der Weltwirtschaftskrise sehr stark gelitten hatte – wurde deshalb (staatlich gelenkt) ab 1934 nach einheitlichen Vorgaben von vielen Herstellern ein Kleinkalibergewehr gefertigt: das Deutsche Sportmodell

Dieses Gewehr war äußerlich dem Karabiner 98K – der neuen Einheitswaffe der Armee – nachempfunden und sollte zukünftig die Basis der Schießausbildung bilden. Alle geforderten Schießübungen wurden so weit wie möglich auf diese Waffe abgestimmt.
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Abbildung: Korntreiber aus dem AKAH-Katalog 1936
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Und so verschob sich – trotz aller anerkennenden Worte, die von „offiziellen Stellen“ dem Wehrmanngewehr gewidmet wurden – der Schwerpunkt des ganzen Schießsports immer mehr zum Kleinkaliberschießen hin. Das Kleinkalibergewehr fing an, nicht nur den klassischen Feuerstutzen, sondern auch das Wehrmanngewehr von den Schießständen zu verdrängen.

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Abbildung: 
Weiteres Wehrmann-Zubehör  aus dem AKAH-Katalog 1936

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Das Ende der Wehrmann-Ära

Als der Schießsport nach dem 2. Weltkrieg nach und nach (und immer von argwöhnischen Blicken der Siegermächte begleitet) wieder aufgenommen werden konnte, war vorerst an Großkaliberschießen kaum zu denken. Und auch als die Einschränkungen nicht mehr bestanden, waren Waffen, die aussahen wie Militärwaffen, nicht unbedingt gern gesehene Gäste auf den Ständen. Die wenigen Wehrmanngewehre, die die Entwaffnungsaktionen nach dem Kriege „überlebt“ hatten, verschwanden deshalb in den Waffenschränken. So ging die beachtenswerte Ära der Wehrmanngewehre nach über 40 erfolgreichen Jahren zuende.

Heute sind Wehrmanngewehre – genau wie Feuerstutzen – Zeugnisse einer langen Schützentradition. Und wie die Feuerstutzen, die schon längst wieder auf den Schießständen zu sehen sind, verdienen es auch die Wehrmanngewehre, aus ihrem langen Schlaf in den Waffenschränken der Sammler aufgeweckt und wieder zu den Schießveranstaltungen mitgenommen zu werden.

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© Brigitte G. Hölscher / Juli 2008

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