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Wehrmanngewehre und „Wehrsport“
 

 

Von Wolfgang Finze / Rostock

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Auch wenn der Name „Wehrmanngewehr“ Assoziationen zu „Wehrsport“ und damit zur Zeit des Nationalsozialismus nahe legt, haben Wehrmanngewehre nichts mit dem von den Nationalsozialisten geförderten Wehrsport zu tun. Tatsächlich war es so, dass der staatlich geförderte Wehrsport der Anfang vom Ende des Schießens mit Wehrmanngewehren war, denn nach dem Willen der nationalsozialistischen Führung sollte der Wehrsport ausschließlich mit eigens dafür entwickelten Kleinkalibergewehren – wie dem ab 1934 gebauten Deutschen Sportmodell (DSM 34) und dem ab 1939 gebauten Kleinkaliber-Wehrsportgewehr (KKW) – betrieben werden. Kleinkaliberwaffen boten gegenüber Großkaliberwaffen folgende Vorteile:
  • die preiswerte Munition,
  • die preiswerten Waffen,
  • die geringeren Sicherheitsanforderungen an die Schießstände 
    und
  • den fast unmerklichen Rückschlag beim Schießen.

Dazu kam noch eine eher irrationale Überlegung, denn man meinte, die sehr guten Schießleistungen, die die (aus deutscher Sicht nur sehr kurz ausgebildeten) US-Soldaten im ersten Weltkrieg zeigten, hätten ihre Ursache darin, dass in den USA sehr viel mit Kleinkalibergewehren geschossen wurde und das selbst Kinder (z.B. bei den Boy Scouts) schon das Schießen mit Kleinkalibergewehren lernten.
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Fotos: Wolfgang Finze 

Abbildung: 
Haenel-Feinvisierung für Wehrmanngewehre (Seitenansicht links)

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Die bürgerlich dominierten Schützenvereine (die längst nicht alle einem übergeordneten Dachverband angeschlossen waren) hatten andere Vorstellungen vom Schießen. In ihren Satzungen* war als Vereinszweck meist

„...die Pflege des idealen Schießsports sowie die Kameradschaft unter ihren Mitgliedern...“

bestimmt. Politische Fragen durften auf den Versammlungen der Vereine nicht behandelt werden und auch die Mitgliedschaft war oft begrenzt, denn nur

„Jeder unbescholtene selbständige Gewerbetreibende, oder der sich in gleicher achtbarer gesellschaftlicher Stellung befindet, kann Mitglied werden, …“

Vereine mit solchen Satzungen waren aus nationalsozialistischer Sicht störend. Deshalb wurde bereits unmittelbar nach der Machtübernahme begonnen, den gesamten Schießsport neu zu ordnen.

* Satzung der Schützengesellschaft Concordia zu Rostock, in der Fassung vom 23.April 1930


 

Abbildung:
Haenel-Feinvisierung für Wehrmanngewehre (Ansicht von oben)


Foto: Wolfgang Finze 

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Neuordnung des deutschen Schießsports ab 1933

Als erster Schritt wurde vom „Reichssportkommissar“ Hans von Tschammer und Osten* am 23. Mai 1933 angeordnet, einen Dachverband für den gesamten Schießsport zu gründen, den "Deutschen Schießsportverband". Per Verordnung wurden der Deutsche Schützenbund, der Reichsverband Deutscher Kleinkaliberschützenverbände sowie das Deutsche Kartell Jagd- und Sportschießen zwangsweise diesem neuem Verband angeschlossen.

Am 12. Juni 1933 wurde dann angeordnet, dass alle Verbände und Vereine, die Schießsport betrieben und nicht entweder im Deutschen Schützenbund, im Reichsverband Deutscher Kleinkaliberschützenverbände oder im Deutschen Kartell Jagd- und Sportschießen Mitglied waren, sich bis zum 15. August 1933 beim Deutschen Schießsportverband anzumelden hätten. Vereine oder Verbände, die diese Anmeldung unterließen, sollten mit gleichem Datum aufgelöst werden.

Der Deutsche Schießsportverband erließ eine Mustersatzung, die die angeschlossenen Vereine nach und nach übernehmen mussten. In der Mustersatzung hieß es:

"Der Verein hat den Zweck, den Schießsport als Leibesübung zur Ertüchtigung der deutschen Jugend und zur Hebung der Wehrfähigkeit zu pflegen. Zu diesem Zwecke werden die Mitglieder unter fachmännischer Leitung im Schießen ausgebildet und werden alljährlich besondere Übungsschießen und Schießwettkämpfe veranstaltet. Jeder unbescholtene deutsche Mann (arischer Abstammung), der das 15. Lebensjahr zurückgelegt hat, kann Mitglied des Vereins werden. Die Aufnahme erfolgt nach Beschluß des Beirates durch den Führer."

Anfang 1935 wurde der Deutsche Schießsportverband in „Deutscher Schützenverband“ umbenannt. Gleichzeitig erhielten die bisher noch bestehenden Verbände die Aufforderung, sich entsprechend ihrer Satzung aufzulösen. Die diesen Verbänden angeschlossenen Vereine wurden dadurch direkte Mitglieder des Deutschen Schützenverbandes. Zwar sollten auch nach der Auflösung die wertvollen Traditionen des deutschen Schützenwesens erhalten bleiben, allerdings sah die nationalsozialistische Führung nur solche Traditionen als wertvoll und damit erhaltenswert an, mit der die Vereine

„...ihren Mitgliedern eine Erziehung im Schießen geben, die sie zur Verteidigung der Heimat befähigte. Diese Tradition, die an vielen Orten lange vergessen wurde, wieder in Ehren zu bringen, scheint der Inbegriff der Erhaltung wahrer Tradition zu sein“.

Letztlich bedeutete dies das Ende der sportlich orientierten bürgerlichen Schützentradition.

Zwischen 1936 und 1938 wurden nun alle Schießsportordnungen umgestellt, Pflichtschießen und Schießleistungsklassen eingeführt und der ganze Schießbetrieb auf eine militärische Basis gestellt. Im März 1938 wurde dann die Führung des Deutschen Schützenverbandes „in die Hände des Chefs des Führungsamtes der SA“ gelegt..
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* Hans von Tschammer und Osten wurde am 19.07.1933 zum „Reichssportführer“ ernannt,
 er hatte maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung der olympischen Spiele 1936

 

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Staatliche Reglementierungen im Schießsport*

Die staatliche Reglementierung und die ideologische Ausrichtung des Schießsports traf auch direkt jeden Verein, wie einige Beispiele aus der Geschichte der Schützenzunft Kröpelin zeigen, die 1933 gerade ihr 260-jähriges Bestehen feierte:

ab 1934 Einführung des „Führerprinzips“. Der Vorsitzende (bei der Kröpeliner Schützenzunft der 1. Älteste) hieß nun Vereinsführer. Auch die Satzung des Vereins musste geändert werden.
01. Februar 1935 Schriftliche Erinnerung daran, dass die Jugendgruppen innerhalb der Zunft in die HJ (Hitlerjugend) zu überführen seien.
29. Dezember 1936 Der Gauschützenführer verlangt die schriftliche Meldung aller Mitglieder, die Juden, Halbjuden, „jüdisch versippt“ oder Logenbrüder (Freimaurer) waren.
31. März 1937 Mit Schreiben an die Vereinsführer und Vereinsdienstwarte wurde vom Gau-Dienstwart mitgeteilt, dass alle Vereinsführer und Vereinsdienstwarte an der weltanschaulich-politischen Schulung in den Ortsgruppen der NSDAP teilzunehmen hätten.
1937 Verpflichtung der Vereinsmitglieder unter 45 Jahren, zwischen Juni und September jeden zweiten Sonnabend die vorgegebenen Schießübungen zu absolvieren (Pflichtschießen). Dabei durfte nur mit Wehrmanngewehren, Wehrmannzimmerstutzen oder Kleinkalibergewehren vorgeschriebener Bauart geschossen werden. Die Ergebnisse waren in das Schießbuch einzutragen, das jeder zu führen hatte.
05. April 1938 Verfügung des Gauschützenführers zur Änderung der Anzugsordnung und der Rangabzeichen. Weiter getragen durften nur Traditionsuniformen, die schon mindestens 75 Jahre in Gebrauch waren, wobei Schützenuniformen, die in ihrem Aussehen den Uniformen der kaiserlichen Armee oder der Wehrmacht ähnelten, waren ab sofort nicht mehr zulässig waren. Das galt auch für Rangabzeichen wie Schleppsäbel  Achselstücke, Epauletten, Feldbinden, Schärpen und Sterne. Auch militärische Rangbezeichnungen wie Schützenoberst fielen fort. Bei Neubeschaffung von Schützenkleidung sollte zukünftig ausschließlich der „Deutschen Schützenanzug“ beschafft werden.
1939 Schützenfeste wurden genehmigungspflichtig. Die Genehmigung wurde vom Gauschützenführer nur erteilt, wenn die Zunft ganzjährig den Schießsport pflegt, also das Pflichtschießen regelmäßig und vollständig durchführte.
1940 Abschaffung des Königsschießens, dafür wurde vom Gauschützenführer die Durchführung von Vereinsmeisterschaften und einem „Schießen für Jedermann“ angeordnet.

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* R. Rahming: Die Kröpeliner Schützenzunft unterm Hakenkreuz in: Der Schütze MV Nr. 4/2005 S. 12-13.

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Schießen mit Wehrmanngewehren – damals

Wehrmanngewehre waren – wie auch die Feuerstutzen – ausgesprochene Wertobjekte, die sich längst nicht jeder leisten konnte. Auch die Munition und das Zubehör zum Wiederladen kostete mehr Geld, als in vielen Haushalten vorhanden war. Deshalb schossen die „ärmeren Kreise der Bevölkerung“ auch mit den wesentlich preiswerteren Zimmerstutzen oder später mit dem Kleinkalibergewehr, während die „besseren Kreise“ ihren Feuerstutzen oder eben ihr Wehrmanngewehr hatten. Meist war das Wehrmanngewehr (wie der Feuerstutzen auch) der ganze Stolz seines Besitzers. Individuelle Verzierungen wie das Monogramm des Eigentümers waren deshalb durchaus üblich.

Die ersten Wehrmanngewehre wurden kurz vor 1900 gebaut. Bald darauf gab es auch die ersten internationalen Wettkämpfe. Beim 1902 ausgetragenen Wettkampf in Wien schlug die deutsche Mannschaft (die mit Gewehren auf Basis des gerade entwickelten Gewehrs 98 antrat), die Mannschaft der Österreicher (die mit Waffen gleichen Kalibers auf Mannlicher-Basis antrat).

 



Abbildung aus: Der Deutsche Schütze No. 8/1937

Schon vor 1903 wurde mit Wehrmanngewehren auch beim Deutschen Schützenbund geschossen, denn beim 14. Deutschen Bundesschießen (Hannover, 5.-12.07.1903) wurden erstmalig auch Wettkämpfe für Wehrmanngewehre ausgeschrieben.

Beim Deutschen Schützenbund wurden Wettkämpfe mit dem Wehrmanngewehr, die in der Regel über 15 Schuss gingen, auf eine Entfernung von 175m ausgetragen, und zwar bis 1926 nur stehend freihändig, ohne den Gewehrriemen als Anschlaghilfe zu benutzen. Geschossen wurde auf die Wehrmannscheibe (Lorenz'sche Figurenscheibe), die ein in 20 Ringe eingeteiltes Trefferfeld von 70cm Durchmesser hatte, wobei der „Spiegel“ der Scheibe einen Durchmesser von 35cm hatte.

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Auf dem Münchner Bundesschießen 1927 wurde für das Wehrmanngewehr auch das Dreistellungsschießen (liegend, stehend, kniend) eingeführt. Bei Meisterschaftswettkämpfen wurden nun je 5 Schuss je Anschlagart geschossen, wobei für eine Serie 5 Minuten zur Verfügung standen. 1938 stand der deutsche Rekord bei 259 von 300 möglichen Ringen.
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In der Ausschreibung für das 20. Deutsche Bundesschießen, Leipzig 1934, finden sich folgende Vorgaben für Wehrmanngewehre.

„Das Anbringen von Gläsern ist nicht gestattet, dagegen sind Diopterbrillen zugelassen. Patronenlager und Züge können beliebiger Konstruktion sein. Der Druckpunkt muß 1,5 Kilogramm halten. Zugelassen sind die deutschen Gewehre Modell 88 und 98, der deutsche Karabiner bis einschließlich Kaliber 8,15mm, das österreichische Gewehr sowie der Karabiner System Mannlicher (Steyr) bei gleicher Visierung und Druckpunkt, wie für die deutsche Wehrmannbüchse, nur als Einzellader benutzbar. Die Visierkimme muß dreieckig, das Korn dachförmig, letztes kann an der Oberkante bis 2mm breit sein. Visier und Korn können seitlich verstellbar sein.“

Interessant ist, dass die heute als „Wehrmanndiopter“ angebotenen Diopter im Wettkampf nicht zulässig waren. Dagegen durften Schießbrillen, auch solche mit Irisblenden (Diopterbrillen) verwendet werden. Für das eigentliche Schießen enthielt die Ausschreibung für das 20. Deutsche Bundesschießen, Leipzig 1934 folgende Vorgaben:

„Es wird nur freistehend aus freier Hand geschossen. Auf die Wehrmann- und Kleinkaliberscheibe auch kniend oder sitzend oder liegend freihändig. Der Anschlag des Gewehrs unter dem Rock* oder das Schießen in Hemdsärmeln ist nicht gestattet. Polstern und dergleichen als ausgesprochene Stütze des Armes sind verboten. Scheublenden am Gewehr sind verboten.“

* Rock war die damals übliche Bezeichnung für Jacke.

 

Wehrmanngewehre – Wiederladen damals

Die meisten Schützen luden (schon aus Kostengründen) ihre Patronen selbst. Wegen des geringen Gebrauchsdrucks der Patrone 8,15x46R musste die Hülse nicht kalibriert werden. Es reichte, mit der Zündhütchenzange das abgeschossene Zündhütchen zu entfernen und ein neues Zündhütchen zu setzen, die fertig abgewogene Pulverladung einzufüllen und das Geschoss entweder von Hand oder mit einem einfachen Geschosssetzer in den Hülsenmund zu schieben. Fertig war die Präzisionspatrone.

Die Industrie unterstützte das Wiederladen, indem sie neben bereits fertig abgewogenen Ladungen (die als Presslinge oder als in dünnes Papier verpackte Pulverladungen angeboten wurden) auch Geschosse in allen üblichen Durchmessern und Formen anboten.
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Geladen werden durfte – heute völlig unvorstellbar – sogar auf dem Stand und während des Wettkampfes. Dafür war ein besonderer Raum freigegeben. Die Ausschreibung des 20.Deutschen Bundesschießens von 1934 schreibt für diesen Raum vor:

„Patronen dürfen nur in dem dafür bestimmten Raum geladen werden. Zündkapseln etwaiger Versager dürfen erst nach Entfernung des Geschosses und des Pulvers ausgewechselt werden. In dem zum Patronenladen bestimmten Raum ist das Rauchen untersagt. …“

Für Wehrmanngewehre und Feuerstutzen waren nur Bleigeschosse zulässig, Mantel- oder Teilmantelgeschosse streng verboten. Und da die Patronen während des Wettkampfes geladen werden durften, galten folgende harte Regeln:

„Es dürfen keine Geschosse mit Hartmetall, Mantel- Teilmantel oder Mantelspitze verwendet werden. Wer im Besitz solcher Geschosse angetroffen wird, wird vom Schießen ausgeschlossen …“

Abbildung:
Titelgrafik Festschrift Bundesschießen Leipzig
 Ausgabe 1 / 1. Mai 1934

Die von der Industrie in allen für die 8,15x46R üblichen Kaliberabstufungen angebotenen Bleigeschosse hatten meist einen "Führungsring", so dass sich das Geschoss leicht in die Hülse setzen ließ. Die Patronenlänge wurde dabei durch den Führungsring vorgegeben.
Geschosse wurden in unterschiedlichen Gewichtsklassen und Formen angeboten, neben den weit verbreiteten Rundkopfgeschossen gab es auch Spitzgeschosse. Geliefert wurden ungefettete Geschosse, der Schütze fettete seine Geschosse selbst, wobei als Fett Talg (meist Rindertalg) verwendet wurde (die Geschosse wurden „getalgt“).


Foto: Wolfgang Finze 

Wer sich als Sammler für Wehrmanngewehre interessiert, sollte das originale Zubehör nicht vergessen. Wichtigstes Stück war die Zündhütchenzange zum Entfernen des abgeschossenen und Setzen des neuen (Berdan-) Zündhütchens. Jeder Schütze hatte zudem Holzblöcke, die 10 Patronen aufnahmen.

Ein weiteres, längst nicht so häufig angebotenes Zubehörteil ist der Kugelsetzer. Da Originale recht selten zu finden sind, werden sie meist recht teuer angeboten. Wenn einmal ein solches Stück angeboten wird, kann der Preis auch über der 100€-Grenze liegen.

Zum Zubehör gehörten auch Gießformen für Geschosse, Pulvermaße, Ladetrichter und Reinigungsgeräte für die Zündglocken. Bei den für die Patrone 8,15x46R bestimmten Pulvermaßen mit angebautem Ladetrichter ist der Durchmesser des Trichterrohrs genau so groß, dass er in den Hülsenmund passt.


Foto: Wolfgang Finze 

Natürlich gehören auch originale Hülsen mit zum sammelwürdigen Zubehör. Da eigentlich alle Hülsenhersteller die Schützenhülse fertigten, gibt es eine große Menge unterschiedlicher Bodenstempel. Manche Hersteller boten auch vernickelte Hülsen an.

Wenn man ausreichend viele originale Hülsen sowie Berdan-Zündhütchen im Durchmesser von 6,45mm hat, spricht nichts dagegen, diese Hülsen zu verwenden. Und auch originale Geschosse (wenn man denn noch genügend davon findet) fliegen heute genauso gut wie vor 100 Jahren.

 

© Wolfgang Finze / Juni 2008

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