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Automatische Anlagen für das Schießen auf mittlere und längere Distanzen
 

Von Brigitte G. Hölscher

 

 

 

Wie bereits erläutert, ist das Schießen mit Zieler und Schreiber ein aufwändiges Unterfangen. Der Personalbedarf für jeden einzelnen Stand und Schützen ist relativ hoch. Als in den 1920er Jahren das Kleinkaliber-Schießen auch in Deutschland immer populärer wurde, begannen die ersten Hersteller von Scheibenzuganlagen damit, verschiedene Konstruktionen zu entwerfen, mit denen das Schießen auf die größeren Distanzen preisgünstiger und weniger aufwändig gestaltet werden konnte. Vor allem arbbeitete man auch daran, die Treffer automatisch aufzeigen lassen zu können.

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Das Schießen auf mittlere Distanzen

Als das Pistolenschießen nach den Regeln des Schützenbundes immer populärer wurde, kamen auch die ersten Hersteller mit automatisierten Seilzugständen auf den Markt. In den 1920er Jahren wurden in Deutschland die ersten handbetriebenen Seilzugstände eingesetzt. Durch mechanische Stände aus dem jagdlichen Bereich (Laufender Keiler, etc.) war bei den Herstellern schon einschlägige technische Erfahrung vorhanden.

Von Preuss-Schießstandanlagen wurde um 1925 folgende Konstruktion angeboten: Ein Endlos-Drahtseil läuft über Rollen und wird per Kurbel an einer Fahrradfelge zum Schützen zurückgezogen. Der Scheibenhalter liegt lose auf dem Drahtseil auf.

Für das Schnellfeuerschießen war es bislang üblich, dass der Preisrichter mit der Stoppuhr die Drehung der Scheiben freigab. Dies gab stets Anlass zur Beanstandung seitens der Schützen, da die Gleichmäßigkeit nie wirklich gewährleistet war. Durch die neue Automatische Zeitscheibe der Firma Preuss wurde hier erstmalig Abhilfe geschaffen. Auf einer schrägen Bahn rollt eine schwere Kugel, die durch Herabfallen auf ein becherförmiges Gefäß an einem Hebelarm die Drehvorrichtung der Scheibe auslöst. 

Der Preisrichter dreht ohne Kommando mittels eines Hebels die Scheibe in Frontstellung, so dass die Schützen beim Erscheinen der Scheibe ohne Kommando das Feuer beginnen können. Durch die erwähnte Hebeldrehung wird zugleich am oberen Ende der Rinne lagernde Kugel freigegeben, die nun die Rinne entlang läuft und von dieser in das Kästchen des Hebels herabfällt. Hierdurch wird die Scheibe wieder vom Schützen weggedreht, der das Feuer infolgedessen einstellen muss. Die Zeit, die die Kugel zum Durchlaufen der Rinne und zum Herabfallen benötigt, kann durch Verstellen des Neigungswinkels der Rinne beliebig geregelt werden. Ein Einfluss des Preisrichters auf die Zeitbestimmung ist also ausgeschlossen, da für alle Schützen eine gleichmäßige Zeitdauer zum Beschießen der Scheiben gewährleistet ist.

Im AKAH-Katalog aus dem Jahre 1926 ist diese Anlage so beschrieben und wurde pro Stück/Stand für 50 Reichsmark angeboten.

 

Das Schießen auf längere Distanzen

Bislang waren es Schützen damals nicht gewohnt, dass sie ihre eigene beschossene Scheibe zu sehen bekommen, da stets mit Zieler und Schreiber gearbeitet wurde. Es gab viele Gründe, dass das Schießen mit Scheibenzuganlagen und ohne Zieler propagiert wurde.

  • Die Sicherheit auf dem Schießstand wird enorm erhöht, da keine Zieler oder Anzeiger mehr notwendig sind, die sich an oder in der Schießbahn aufhalten. Auch werden die Kosten für den Zieler sowie die Versicherungskosten für diesen eingespart.
  • Vermeidung von versehentlich oder mutwillig falsch angezeigten Resultaten, der Schütze kann sein Ergebnis in kürzester Zeit selbst überprüfen.
  • Keine kostspielig zu errichtenden Zielerstände und Zielergräben. Auch die Kosten für Aushub, Betonierung, Klingel- und Telefonanlagen entfallen vollständig.
  • Schnellere Abwicklung des gesamten Schießprogramms, höherer Durchsatz an Schützen an den Schießtagen möglich.

 

Selbstanzeigeschießstand „System Diesing“

 

Die Firma Otto Diesing Magdeburg hatte seit den 1920er Jahren einige Patente zur Anmeldung gebracht, was Scheibenzuganlagen und andere Anzeigeautomaten anbetrifft. Vor allem der Selbstanzeigeschießstand System Diesing wurde weiträumig angepriesen, denn dieser ermöglichte die in den 1920er Jahren populäre Distanz von 50 Metern für das Kleinkaliberschießen. Alle vorhergehenden „Hilfskonstruktionen“ mit Fahrradteilen waren allenfalls für die Pistolendistanz von 25m brauchbar.

Die rechts abgebildete Anlage besteht aus vier Scheiben, von denen sich jeweils zwei beim Schützen oder am Kugelfang befinden. Je nach Aufhängung der Scheiben und den Platzverhältnissen können auch alle vier Scheiben der Anlage zugleich am Kugelfang zum Einsatz gebracht werden. Bei dieser Diesing-Anlage mussten jeweils alle eingesetzten Scheiben auf einmal am umlaufenden Endlosdrahtseil eingeholt werden. 

An einer hinter den Schützen angebrachten Seilscheibe ist eine Kurbel angebracht, die durch den Einsatz von Kugellagern mit geringen Kraftaufwand betätigt werden konnte. Auf eine Entfernung von 50m konnten die Scheiben dann in ca. 10 Sekunden eingezogen werden. 
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Abbildung: Deutscher Schützenkalender 1928
Auf dem großen Kleinkaliber-Schießstand in Potsdam waren damals acht dieser Apparate mit insgesamt 24 Scheiben montiert. In Magdeburg kam die „Ausführung 4“ zum Einsatz.
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Werbeanzeigen der Fa. Diesing aus Der Deutsche Schütze von 1937 und 1939.

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Automatische Anzeige „System Johannsen“

Bereits seit den 1920er Jahren wurde von der Firma Johannsen aus dem nordhessischen Battenberg an einem Anzeigesystem getüftelt, welches den Zieler beim 50m-Kleinkaliber-Schießen entbehrlich macht. Hierbei sollte nicht nur die Ringzahl für den Schützen sichtbar sein, sondern auch die Trefferlage angezeigt werden. Das Automatische Ringscheibensystem Johannsen besaß D.R.P (Deutsches Reichspatent)  und auch Auslandspatente.

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Im Unterschied zu den anderen damals in Entwicklung oder Betrieb befindlichen Anzeigeautomaten für das Kleinkaliber-Schießen wurde dieses System von Johannsen ganz ohne Elektrizität betrieben. Alleine durch die Kraft des Geschosses wurde hier die Trefferanzeige ausgelöst.

Das selbsttätige Aufzeigen des Schusses erfolgte bei der Fluggeschwindigkeit der Patrone .22 lfB gewissermaßen noch während des Kugelfluges. 

Der damals werblich besonders hervorgehobene Vorteil des Systems bestand in der Einfachheit. Es wurde bei ganz geringer Wartung und der Unabhängigkeit von Strom und menschlichen Fehlern eine auf Jahre hinaus anstandslose Funktion gewährleistet. 


Abbildung: WUM-Katalog 1930er Jahre
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Die Auftreffkraft des Geschosses setzte einen Mechanismus in Gang, der durch die Klapptafeln rund um das Gehäuse die Ringzahl samt Trefferlage aufzeigte. 

Bei einem Zentrumstreffer wurde oben mittig eine Tafel hochgeklappt. Beim Treffer „8 rechts“ klappten zwei Tafeln mit der Acht darauf rechts am Gehäuse aus. 

Bei Trefferlage „8 rechts hoch“ wurde nur eine Tafel mit der Acht darauf angezeigt. Ist der Schuss im Bereich der Acht, aber zu hoch, wurden rechts und links oben die Tafeln mit der Acht darauf ausgeklappt.

In gleichartiger Weise wurden alle anderen erdenklichen Ringe und Trefferlagen angezeigt.

Die ausgeklappten Tafeln klappten bei der Normalausführung nach einem kurzen Zeitraum zurück und der nächste Schuss konnte abgegeben werden. Über einen sogenannten Zeit-Zeiger (der auch nachträglich an alle älteren Anzeigesysteme montiert werden konnte) war es möglich, vom Stand aus die Tafeln erst auf Wunsch wieder einzuklappen und somit die Anzeigezeit selbst zu beeinflussen. 

Der Kugelfang dieser Anlage hat eine eigene Bleisammelvorrichtung, damit die Rohstoffe schnell und sauber gesammelt und wieder verwertet werden konnten. Die vorgesteckte Pappscheibe sollen gar 500 Schuss abgegeben werden können, bis sie ausgewechselt werden musste. Das Anzeigesystem war auch bedingt für den mobilen Einsatz geeignet, da sie kompakt gebaut war und keinen Stromanschluss benötigte.

Später wurde auch noch zusätzlich der sogenannte Fernscheibenwechsler angeboten, der den Austausch der Pappscheibe ohne Schießunterbrechung per Seilzug und Kurbelbedienung möglich machte. Siehe hierzu die folgende Werbe-Abbildung aus der Zeitschrift Der Deutsche Schütze 1939.

Diese Scheiben waren erhältlich für die 10-kreisige und die 12-kreisige Kleinkaliber-Ringscheibe. In kleinerer Ausführung wurden sie auch für das Schießen mit Flobertgewehr, Zimmerstutzen und Luftgewehr angeboten. Die Ausführung für kurze Distanzen wogen nur 13kg und waren in einem Koffer verstaut. Dadurch waren sie sehr mobil einsetzbar und ließen sich schnell überall aufstellen.

Die Firma Johannsen existiert noch heute und baut noch immer erfolgreich Schießanlagen. Seit dem Jahre 2000 gehört Fa. Johannsen Schießstandtechnik GmbH zu 50% zur österreichischen Firma Rika/Micheldorf, die somit eine breite Palette für den Schützensport anbieten kann.

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© Brigitte G. Hölscher / Januar - März - Mai 2008

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