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Zieler-Schreiber-Schießstände
 

Von Brigitte G. Hölscher

 

 

 

In dieser Betrachtung möchten wir etwas zu den Zielern und den Schreibern bei den früheren und heutigen Scheibenstutzen-Schießen erläutern. Nachdem heutzutage im Schießsport auf größere Distanzen nur noch die Seilzuganlagen oder gar elektronische Auswertung im Einsatz sind, werfen wir einen Blick zurück in die Zeit, als es dies alles noch nicht gab. Und auf heutige Traditionsschießstände, die immer noch mit Zieler die erreichte Ringzahl aufzeigen.

 

Die meisten Schützen kennen das Motiv des „Scheiben-Toni“, der mit seiner Kelle zum Aufzeigen des abgegebenen Schusses vor einer Feldscheibe steht und im Hintergrund die Silhouette Münchens zu erkennen ist. Die Originalzeichnung wurde von Professor Hermann von Kaulbach geschaffen und wurde beim Bundesschießen München 1906 publiziert.

Hermann von Kaulbach stammt übrigens aus der gleichen Künstlerfamilie wie Friedrich August von Kaulbach, der zum Münchner Bundesschießen 1881 das berühmte Gemälde der „Schützenliesl“ Coletta Möritz schuf. 

Aber zurück zu den Zielern und den Zielerständen. Die Figur des kindlichen Scheiben-Toni soll exemplarisch für die Personen stehen, die mit einer Kelle dem Schützen den Treffer anzeigten. 

Doch die Ausübung der Zielertätigkeit war nie als Kinderspiel zu sehen, sondern es ist von je her immer eine höchst ehrenwerte Tätigkeit für Erwachsene mit großer Verantwortung gewesen. Somit vermittelt dieses bekannte Gemälde ein etwas falsches Bild über die Zielertätigkeit. 


Abbildung aus der Festschrift Bundesschießen 1906

 

In früheren Zeiten gab es bei Schützenfesten und auf den großen Schießstätten den Pritschenmeister, der die Oberaufsicht und Verantwortung für den gesamten Schießbetrieb und die Sicherheit hatte. Auch wenn der Pritschenmeister oft bei den Festivitäten komödiantisch im Harlekinkostüm oder als Hanswurst auftrat und mit seiner Pritsche dem schlecht schießenden Schützen zum Ulk verdrosch, so war er eine hohe Autorität. Ein unterhaltsames Schauspiel für die Zuschauer war somit stets geboten, wenn er auch mit aus dem Stegreif gereimten Verserln die Schützen und Gäste zur Ordnung mahnte. Er durfte auch Ordnungsstrafen verhängen.

Dem Pritschenmeister unterstanden auch die Zieler.  Es gab schon im Mittelalter viele Vorschriften und Verhaltensmaßregeln, wie sich ein Zieler im Zielergraben zu verhalten hat und wie der Schütze mit dem Zieler umzugehen hat – und umgekehrt. Dies war schon im Mittelalter in den Schützenordnungen festgeschrieben. Auch erhielten die Zieler für ihre ehrenwerte Aufgabe eine ordentliche Entlohnung, da die Tätigkeit höchstwichtig und verantwortungsvoll auszuführen war.

 

Die wenigen heute sich noch in Betrieb befindlichen „Zieler-Schreiber-Stände“ bedürfen ebenfalls eines Zielers – wie schon vor weit mehr als 100 Jahren. Hierbei ist meist ein Zieler draußen im Zielergraben für zwei Schießstände verantwortlich. Ebenso ist am Schießstand selber ein Schreiber für zwei Stände zuständig. 

Meist sind die Scheiben auf den Scheibenträgern so zu handhaben, dass es zwei Scheiben gibt, die mit einem Mechanismus (Dreh-, Schwenk- oder Zugmechanismus) wechselweise aus dem Zielergraben empor geschoben werden. Hat der Schütze seinen Schuss abgefeuert, wird die beschossene Scheibe in den Zielergraben hinunter gezogen und die unbeschossene Scheibe in die Höhe. 

Der Zieler begutachtet im Zielergraben den Schuss und zeigt mit der Kelle auf der oben für den Schützen sichtbaren Scheibe die ungefähre Trefferlage an. 

Abbildung aus „Kleinkaliber Scheibenschießen“  1930

 

Anschließend hängt der Zieler die Kelle in das dazugehörige fünfstufige Lochraster neben der Scheibe ein, um dem Schreiber und dem Schützen die erreichte Ringzahl aufzuzeigen.

Die Kelle ist auf der einen Seite meist weiß und wird zum Aufzeigen der Ringzahlen 1-5 verwendet. Auf der anderen Seite ist die Kelle meist rot und wird zum Aufzeigen der Ringzahlen 6-10 eingehängt. Die eingehängte Ringanzahl ist von unten nach oben ansteigend. Ist die Kelle beispielsweise in der untersten Lochung mit "rot" eingehängt, hat der Schütze 6 Ringe erreicht. Wird sie mit "weiß" in der zweitobersten Lochung eingehängt, so bedeutet dies 4 Ringe.

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Dies ist die Anzeigeart auf den meisten heute noch existenten Zieler-Schreiber-Schießständen. Es gibt aber auch andere Varianten. Die verwendete Anzeigeart ist meist im Schützenhaus ausgehängt, damit sich der Schütze vor dem Schießbeginn darüber informieren kann, wie hier aufgezeigt wird.

Nachdem der Schütze seinen Schuss abgegeben hat, drückt der Schreiber beim zugehörigen Stand auf die Klingel. Dadurch wird dem Zieler mit Glocke und aufleuchtender Lampe mitgeteilt, dass er nun bei diesem Stand die Scheibe zu ziehen hat, den Schuss anzeigen soll sowie die Kelle einzuhängen hat. Der Schreiber notiert am Schießstand die angezeigte Ringzahl auf der Bolette des Schützen.

Hat der Schütze keinen Ring getroffen, so wedelt der Zieler mit seiner Kelle vor der Scheibe hin und her, der Schreiber notiert eine „Null“. Im Normalfall kann der Schütze auch stets einen Blick auf die notierten Ringzahlen des Schreibers werfen und sich somit ein Bild über seine aktuelle Leistung verschaffen.

 

Abbildung: Aktuelle Anzeigeordnung auf dem Schießstand Hötting

 



Abbildung: Zielergraben 300-Meter-Stand Wiesbaden (aus "Der Deutsche Schützenkalender" 1914)

 

Schießt ein Schütze ein Blattl, wird – je nach Qualität des Tiefschusses – vom Zieler eine Fahne oder zwei gekreuzte Fahnen vor die Scheibe gesteckt. Bei einem besonders guten Blattl kann auch eine große Figur (z.B. Harlekin, Schweindl) vom Zieler empor gehoben werden, die dann meist großen Jubel auf dem Schießstand auslöst. Der Schreiber notiert währenddessen auf der Bolette, dass beim eben abgegebenen Schuss dieser Serie ein Blattl gefallen ist, dazu wird der notierte 10er eingekringelt. Auf einer separaten Liste notiert der Schreiber die laufende Nummer des an diesem Tag auf diesem Stand gefallenen Blattls und den Namen des Schützen. 

Der Zieler nimmt das Blattl von der Scheibe und notiert ebenfalls die laufende Nummer des Blattls auf die Liste des von ihm betreuten Standes und auch auf die Rückseite des Blattls. Die Blattl werden im Zielergraben direkt in ein verschlossenes Behältnis eingeworfen. Die Schlüssel für die Behältnisse besitzt nur die Auswertung. 

Zur Kommunikation zwischen Zieler und Schreiber gibt es bestimmte Vorgehensweisen. Um sicherzustellen, dass der Zieler und der Schreiber beim Notieren des gefallenen Blattls die gleiche laufende Nummer verwenden, wird folgendermaßen vorgegangen: fällt beispielsweise auf dem Stand das 24. Blattl des Schießtages, hängt der Zieler (während die Scheibe mit einer „Blattl-Fahne“ gesperrt ist) die Kelle auf die „4“ ein. Dadurch sieht der Schreiber, dass die letzte Ziffer der laufenden Nummerierung beim Zieler draußen auf vier endet. Somit muss in der parallel laufenden Liste beim Schreiber ebenfalls der aktuelle Schütze samt Namen mit der 24 notiert werden. Der Schreiber bestätigt durch zweimaliges Klingeln dem Zieler, dass er auch bei seiner Liste die aufgezeigte laufende Nummer ausfüllt. 

Sollte es hierbei zu einer Unregelmäßigkeit kommen, wird von der Standaufsicht mit dem Telefon im Zielergraben angerufen, um die laufende Nummerierung zu klären. Ist alles in Ordnung und geklärt, dann wird die Blattl-Fahne weggenommen und der Schütze kann weiter schießen.

Wenn es am Ende des Schießtages zur Auswertung geht, werden zuerst alle an den einzelnen Ständen gefallenen Blattl mit der Teilermaschine ausgewertet. Anschließend werden die Blattl anhand der von den Schreibern geführten Listen den jeweiligen Schützen zugeordnet und in die Wertungslisten eingetragen. Die Ringergebnisse werden von den bei der Auswertung eingereichten Boletten der Schreiber auf die Wertungslisten übertragen.


 

Schon immer kam es beim Anzeigen des Schusses durch den Zieler zu Unmut seitens des Schützen. Man war schnell mit Vorwürfen wie „Betrug“ und „unehrenhaft“ bei der Sache. Und so war schon in der Bayerischen Schützenzeitung aus dem Jahre 1901 ein Artikel zu lesen, in dem aus der damaligen Österreichischen Schützenzeitung eine Einsendung zitiert wird. Also waren schon vor über 100 Jahren die Rufe sehr laut, dass doch das Anzeigen des Schusses mit unbestechlichen, technischen Einrichtungen ermöglicht werden müsste. 

Quelle: Bayerische Schützenzeitung 1901

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© Brigitte G. Hölscher / Januar & März 2008

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