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Der Scheibenstutzen und seine Geschichte
 

Von Sepp Albl

 

 

 

Wenn ein Schütze oder eine Schützin erstmals mit einem Scheibenstutzen – oder wie wir in Bayern sagen dem Feuerstutzen – geschossen hat, dann lässt ihn die Faszination an dieser Traditionswaffe nicht so schnell wieder los!

Mir ist es auf jeden Fall so ergangen. Die schönen Waffen, der angenehme Schuss, die große Entfernung und die herrlichen Traditionsstände – die es leider in Bayern nicht mehr allzu oft gibt – tragen dich wie auf einer Wolke in den Schützenhimmel!

Meinen ersten Feuerstutzen erwarb ich 1984, es war ein prachtvoller Martini im hervorragenden Zustand. Mich faszinierte, wie aus dem Zusammenspiel bester Handwerker vieler Branchen und ausgefeilter Technik zuletzt ein Gesamtkunstwerk entsteht.

Ich möchte Euch hier einen kleinen Beitrag schreiben wie es zu diesen schönen Waffen gekommen ist.

Seit dem Jahr 1875 ist der Feuerstutzen die gebräuchliche Sportwaffe gewesen. Beim 5. Deutschen Bundesschießen in Stuttgart wurden die ersten Martini Feuerstutzen im cal. 9,5x47R verwendet. Jedoch konnten sich diesen Sport schon damals auch nur die „betuchteren Leute“ wie Industrielle oder Kaufleute leisten. Die am Schießsport interessierten Arbeiter wichen auf den preisgünstigeren Zimmerstutzen aus, denn da war damals die Munition preisgünstiger. Außerdem wurden bei den großen Schützengesellschaften, die einen Schießstand mit den Distanzen von 130m bis 300m hatten, nur die gesellschaftlich höher gestellten Persönlichkeiten aufgenommen. Die Zimmerstutzenschützen hielten sich in den Nebenzimmern von Gastwirtschaften oder auf Kegelbahnen auf, um ihrer sportlichen Leidenschaft nachzugehen.

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Die Patronen

Mit Einführung der Einheitspatrone im 19. Jahrhundert wurde im Schießwesen eine neue Epoche eingeleitet. Jeder Hülsenhersteller hatte eine große Anzahl von „Schützenhülsen“ in seinem Fertigungsprogramm. Ja, es wurden sogar für einzelne Waffenhersteller nach deren Angaben auch spezielle Patronen angefertigt. So umfasste das Angebot der Rheinisch-Westfälischen Sprengstoff AG in Nürnberg (siehe Spezialofferte DWJ 4/1982 S. 437) und der Zündhütchen- und Patronen Fabrik vorm. H. Utendörfer im Jahre 1908 nicht weniger als 74 unterschiedliche Hülsen mit der Bezeichnung „für Scheibenstutzen“ (siehe DWJ 7/89 S. 922 - 929). Bei dieser großen Vielfalt setzte sich immer mehr die „8-mm-Normalpatrone“ durch, auch Frohn-Patrone genannt. Sie wurde anfänglich auch als 46 ½ x8,15 bzw. 8,15x46 ½ bekannt. Aber auch die ältere Patrone 9,5x47R war weit verbreitet. Letztere hatten einen sogenannten Mauser- Boden, stammte also von der Ordonnanzpatrone 11,15 x 60 R ab, der Patrone für die deutschen Gewehre M71 und M71/84.

Die Frohn-Hülse gehörte – zumindest von den Bodenmaßen her – zur .360er-Försterpatrone 9,3x72R. Adolf Frohn gründete 1865 in Suhl einen Betrieb und stellte bevorzugt „Präzisionsscheibenwaffen“ her, zu welchen er dann auch seine Patrone entwickelte. Für dieses Kaliber gab es dann auch leicht abweichende Hülsen und eine ganze Reihe von Bleigeschossen mit unterschiedlichen Abmessungen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass dieses Kaliber eines der ersten war, welches „normalisiert“ wurde. Das heißt, dass diese Patrone in diesem Kaliber nun unverändert beibehalten wird. Die Bezeichnung war nun 8,15x46R, wie sie auch heute noch gebräuchlich ist. Genauso vielseitig wie die Munitionsherstellung waren auch die Konstruktionen der Waffen.

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Die Büchsen

Im Anhang zur Satzung vom 26. Februar 1928 des Deutschen Schützenbundes steht geschrieben:

§ 1 
Es darf nur freistehend und aus freier Hand geschossen werden. Einarmige können sich der vom Deutschen Schützenbund zugelassenen Stütze bedienen. 

In der Schießordnung vom 12. Deutschen Bundesschießen in Nürnberg 1897 steht unter 

§ 2. Am Schiessen können nur Männer teilnehmen 

§ 54. Es wird nur feistehend aus freier Hand geschossen. Die Haltung des Armes ist den Schützen freigestellt, doch ist Unterlage von Polstern und dergleichen zur Stütze des Armes nicht gestattet. Der Kolben der Büchse darf während des Schiessens nicht unter den Rock genommen werden. Ebenso darf sich kein Tragriemen an der Büchse befinden. In Hemdsärmeln darf nicht geschossen werden.

§ 4 
Die Waffen dürfen nur zwei Zielmittel haben, und zwar bei der Entfernung auf 175m und 300m, Kimme oder Gabel oder Diopter und offenes Korn. Für Scheibenstutzen sind zugelassen Schweizer und Tiroler Schäftung. Die Wehrmann-Gewehre müssen vorschriftsmäßig, das Korn darf verstellbar, eine Repetiervorrichtung darf nicht vorhanden sein. Die Benutzung eines Fernrohres ist hier ausgeschlossen.
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Diesem Reglement ging eine umfangreiche Entwicklung von Blockbüchsen voraus. Neben den Scheibenbüchsen für das reguläre Schießen gab es Zimmerstutzen im Kaliber 4 mm Randfeuer. Der Geschossdurchmesser reicht hier von 4,3 mm bis 4,75 mm, wobei die Abmessungen 4,4 mm und 4,45 mm – Kugel Nr. 9 und Nr. 10 – wohl am gebräuchlichsten waren. Mit Zimmerstutzen wurde meistens auf 15 m, also im Raum geschossen. An Waffen findet man die unterschiedlichsten Varianten, zum einen solche mit Läufen, die von vorne eingesetzt wurden (System Stiegele) und auch reguläre Blockbüchsen, also Hinterlader (System Martini).
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An dieser Stelle auch einige Worte zur Bezeichnung der alten Scheibenbüchsen.

Zimmerstutzen, wie schon im Vorangegangenen geschrieben, sind Waffen für das Schießen im Raum und haben im „Lauf“ eingeschobene oder eingeschraubte relativ kurze Läufchen für die „Zimmerpatronen Kal. 4mm Randfeuer“. Man schoss früher auf so unterschiedliche Distanzen von 9m bis 18m – je nach dem wie viel Platz im verfügbaren (Behelfs-) Schießstand war. Heutzutage ist die klassische Distanz 15m. Ein gewisser Münchner Büchsenmacher Hormann baute 1856 als Erster einen Zimmerstutzen und somit wurde die Volkssportwaffe durch ihn ins Leben gerufen. München, das gilt als geschichtliche Tatsache, ist die Geburtsstätte des Zimmerstutzens und kann auch die erste Zimmerstutzen-Gesellschaft aufweisen. „Schießen muss Volkssport werden“, hieß es damals – und der Zimmerstutzen hat diese Worte wahr gemacht! Dabei waren die Treue zum Sport und die Liebe zur Heimat und zum bayerischen Brauchtum unantastbares Erbgut.

Feuerstutzen sind für Zentralfeuerpatronen wie zum Beispiel 8,15x46R gebaut und wurden auf die Distanz von 130m bis 300m geschossen. Heute wird in Bayern meist auf 100m geschossen (Kleinkaliberdistanz) und in Österreich und Südtirol zwischen ca. 113m und 150m. 

Da nun der Zimmerstutzen stark am Aufblühen war, gab es auch parallel Entwicklungen für den Feuerstutzen, dass kleine Bleigeschosse im cal. 8,15 mit Hohlboden nur mit speziellen Zündhütchen durchgetrieben wurden. Man sprach von Hirtenberger Ladekonus. ( R. Mahrhold 1937 Seite 139 ). 

Für kleine Distanzen auf 15 Meter reichte es aus, jedoch das Schussloch war dementsprechend groß. So konnte man, ohne dass man sich gleich einen Zimmerstutzen kaufen musste, seinen Feuerstutzen hierfür verwenden. Jedoch kam diese Entwicklung nicht lange zu Tragen. Erst im Jahre 1895 wurde es im Oberbayerischen Zimmerstutzenschützenverband geregelt, nur das cal. 4 mm zu verwenden.

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Die Scheibenpistole

Auch die heute weniger bekannte Scheibenpistole hat eine interessante Geschichte. Für Interessierte sei hier das Buch Die Scheibenpistole von Otto Halfmann und Bruno Brukner (erschienen 2004 bei Shooting Books Köln) empfohlen.
Bei den Scheibenpistolen gab es auch in vielen gleichen Kalibern die identischen Systeme wie bei den Feuerstutzen. Das Kaliber wurde Ende des 19. Jahrhunderts auf 5,6 mm lfb. (Fa. Stevens aus USA war 1880 der Erfinder dieser Randfeuerpatrone) beschränkt. Nach wie vor schießen wir heute noch diese KK-Patrone !

Der erste internationale Wettkampf fand im Prager Variete Theater am 30. September 1885 statt. Auf die Entfernungen von 15, 20 und 30 Metern hatte jeder Schütze acht Schüsse auf eine Scheibe von 30 cm Durchmesser abzugeben. Die Scheibe war in fünf Kreise geteilt (drei weiße Kreise und die 4 und 5 schwarz). 

Der in Paris lebende Amerikaner Ira Pain benutzte eine Pistole von Stevens mit Kipplauf „Modell Lord Gallery Pistol Nr. 36 Kaliber .22 lfb“. Der Wiener Meisterschütze und Büchsenmacher Joseph Schulhof benutzte eine eigene Konstruktion mit gleitendem Blockverschluss und großem Kaliber 9 mm (siehe DWJ 12/93). Pistolen dieses Types stellte auch Immanuel Meffert in Suhl her.

Bei der 4. Weltmeisterschaft in Paris 1900, wurde zum ersten Mal mit Scheibenpistolen geschossen.
Es galten folgende Grundregeln:

  • Waffen: Alle Revolver mit 6 schüssiger Trommel und Pistolen mit offenem Visier und Korn
  • Patronen: Metallpatronen zugelassen
  • Entfernung: 50 Meter
  • Scheibe: 50 cm Durchmesser, Spiegel 20 cm, zehn konzentrische Kreise
  • Schusszahl: 60 Schüsse, 18 Probeschüsse je Schütze
  • Klassifizierung: Addition der erzielten Punkte/Ringe („Punkte“ nannte man es bis zur 13. WM 1909)

Diese Scheibe von 1900 ist nach wie vor unsere Internationale Scheibe für Freie Pistole (man sagt auch „Die Königin der Waffen“) und national für KK Gewehr auf 100 Meter, usw.
Der erste Deutsche Einzelweltmeister mit der Scheibenpistole war bei der 12. WM in Wien 1908 der Hofbüchsenmachermeister Richard Fischer aus Gera, er schoss mit einer „Büchel Tell“ aus Zella in Thüringen, dabei erreichte er 509 Punkte/Ringe.
Leider war es Deutschland wegen der konservativen Haltung vieler Funktionäre im Deutschen Schützenbund zur Gründung eines separaten Pistolenschützenverbandes gekommen. Somit entstand schon früh eine Teilung, die erst später unter Präsident Peter Lorenz aufgehoben wurde.

 

Die Bundesschießen

Beigetragen haben natürlich auch zum wirtschaftlichen Aufschwung der nichtmilitärischen Waffenindustrie die Deutschen Bundesschießen, die alle drei Jahre für zwei Wochen in einer anderen Großstadt stattgefunden haben. Hier eine Auflistung der Anzahl der Schiessstände und der Schützen, die an den jeweiligen Bundesschießen teilgenommen haben:

1. Deutsches Bundesschießen Frankfurt 1862 8000 Schützen 100 Schießstände
2. Deutsches Bundesschießen Bremen 1865 3400 Schützen 150 Schießstände
3. Deutsches Bundesschießen Wien 1868 5548 Schützen 160 Schießstände
4. Deutsches Bundesschießen Hannover 1872 4200 Schützen 90 Schießstände
5. Deutsches Bundesschießen Stuttgart 1875 2870 Schützen 106 Schießstände
6. Deutsches Bundesschießen Düsseldorf 1878 3000 Schützen 100 Schießstände
7. Deutsches Bundesschießen München 1881 3628 Schützen 100 Schießstände
8. Deutsches Bundesschießen Leipzig 1884 2100 Schützen 120 Schießstände
9. Deutsches Bundesschießen Frankfurt 1887 2746 Schützen 148 Schießstände
10. Deutsches Bundesschießen Berlin 1890 4000 Schützen 112 Schießstände
11. Deutsches Bundesschießen Mainz 1894 2800 Schützen 145 Schießstände
12. Deutsches Bundesschießen Nürnberg 1897 3600 Schützen 157 Schießstände
13. Deutsches Bundesschießen Dresden 1900 2100 Schützen 172 Schießstände
14. Deutsches Bundesschießen Hannover 1903 2700 Schützen 152 Schießstände
15. Deutsches Bundesschießen München 1906 5000 Schützen 176 Schießstände
16. Deutsches Bundesschießen Hamburg 1909 4200 Schützen 181 Schießstände
17. Deutsches Bundesschießen Frankfurt 1912 5200 Schützen 202 Schießstände
18. Deutsches Bundesschießen München 1927 5000 Schützen 189 Schießstände
19. Deutsches Bundesschießen Köln 1930 3500 Schützen 200 Schießstände
20. Deutsches Bundesschießen Leipzig 1934 1800 Schützen 175 Schießstände
21. Deutsches Bundesschießen Hannover 1955 3000 Schützen 212 Schießstände
22. Deutsches Bundesschießen München 1961 5087 Schützen 212 Schießstände
23. Deutsches Bundesschießen Hannover 1965 3000 Schützen 100 Schießstände

Quelle: Deutscher Schützenbund

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Beim 16. Deutschen Bundesschießen in Hamburg 1909 fand zugleich die 13. Weltmeisterschaft statt. Emil Pachmayr aus Traunstein wurde mit Weltrekord über 300 Meter 40 Schuss stehend mit 334 Ringe Weltmeister und Vize Weltmeister im Dreistellungskampf 3 x 40 Schuss. Die drei Erstplatzierten schossen alle mit einem Martini-Verschluss. Alle schossen mit der neuen Einheitspatrone Normal 8,15 x 46 R. Ebenso wurde die Deutsche Pistolen Mannschaft auf 50 Meter mit Weltrekord Weltmeister !

Es würde ein dickes Buch füllen, wenn man von den Deutschen Bundesschiessen berichten wollte!
Anhand dieser großen Anzahl an Schützen kann man sich gut vorstellen, dass sehr viele Waffen gebaut wurden. Die Preise der Waffen gingen bei 46 Reichsmark los und nach oben gab es preislich fast kein Ende. Es kam ja immerhin darauf an, in wie weit die Waffe verschönert wurde, Schaftschnitzerei und aufwändige Gravuren, die auch mit Gold und Silbereinlagen zu haben waren, oder mit einem besonderen Stecher (bis 5fach übersetzt) und aufwändigen gezogenen Läufen (Anticorrit und Böhler Stahl).

Drei Weltmeister!

Emil Pachmayr / Traunstein (links)   Konrad Stähli / Schweiz (mitte)   
Kaspar Widmer
/ Schweiz (rechts)

Quelle: Sammlung J. Albl 

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Munition und Zubehör

Ebenfalls kamen die Munitionshersteller nicht zu kurz, die mit einem überaus großen Angebot an verschiedenen Größen und Gewichten der einzelnen Geschosse alles taten, um jedem Schützen präzise sein Geschoss an seine Waffe und Lauf anzupassen.

In dieser Zeit gab es schon alles an Zubehör, was es heutzutage auch gibt. Alles konnte man haben, von der Schießbrille über Pendeldiopter, Fernrohrdiopter, Sternkorne mit verschiedenen Korne und natürlich die große Anzahl an Systemen.
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Bericht aus : "Schuss und Waffe, Band 4"

Genauso war es auch mit den verschiedenen Pulversorten. Angeboten wurde rauchloses Pulver, gepresstes Pulver in kleine Stangen (Hasslocher Presskörper), die genau in die Hülse passten oder abgepackte kleine Pulversäckchen von Troisdorfer (RWS) zu 100 Stück portioniert. Das wäre doch herrlich, wenn es das für uns heute noch gäbe!
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Interessant ist auch, dass Ende 1928 bei einer Gesamtmitgliederzahl beim Deutschen Schützenbund von 67000 rund 59000 Mitglieder „Feuerschützen“ und 8000 Mitglieder als „Jungschützen“ und „Kleinkaliber-Scharfschützen“ registriert waren. Das Kleinkaliberschießen wurde nach den Beschlüssen des Gesamtvorstandes vom 6. September 1925 in Frankfurt und der Schießordnungskommission vom 30. September 1925 in München beim Deutschen Schützenbund angenommen. Leider war dies alles dann nur noch von kurzer Dauer, es begann 1939 der zweite Weltkrieg und somit verschwand leider die Ära des legendären Feuerstutzens!
 

Aber wir führen die Tradition unserer Vorväter fort und lassen die „Flamme“ nicht erlöschen!

Mit bayerischen Schützengruß!
© Sepp Albl
Oberammergau, den 16. November 2007

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